Zum Einhundertsten Geburtstag von Ilse Meves
„Wenn meine Mutter auf Bälle ging, war sie immer umschwärmt von den Herren!“, erzählt Herbert Meves über seine Mutter Ilse mit lauter Stimme, damit die alte Dame dem Gespräch besser folgen kann. Dann huscht ein Lächeln über ihr freundliches Gesicht, „Ja!“, erinnert sie sich und ihre Augen glänzen. „Ich hatte das schönste Kleid, es war ganz in rosa.“ Tante Ida war immer dabei und passte auf. Das war damals so üblich, denn die Zeit, an die sich die beiden zurückerinnern, war die Jugend von Ilse Meves und die alte Dame ist seit dieser Woche einhundert Jahre alt.
Geboren und aufgewachsen ist sie im Oberfränkischen Coburg. Der Vater Fahrradgroßhändler, die Mutter, wie sie selbst später auch: Hausfrau. Behütet war ihre Kindheit, mit der jüngeren Schwester, die ebenfalls noch lebt, und sehr liebevoll. Eine höhere Tochter aus gutem Hause, der es an nichts fehlte. Leidenschaftlich spielte sie Tennis, nahm an Turnieren teil und freute sich an den gewonnenen Pokalen.
Mit 13 Jahren lernte sie, durch ihre beste Freundin Emmi, ihren späteren Mann Theo kennen. „Theo hat sich in mich verliebt!“, erzählt Ilse Meves mit klarer Stimme, aber das Erzählen strengt die alte Dame an und darum berichtet ihr Sohn von dem, was für seine Mutter eines der wichtigsten Ereignisse im Leben war: „Natürlich war die Emmi darüber zunächst nicht begeistert, aber schon bald fand auch sie den richtigen Mann fürs Leben, hat unserer Mutter verziehen und die beiden blieben bis zu ihrem Tod befreundet.“ Einmal im Jahr machten sie mit dem Bus einen „Mädels Ausflug“ nach Italien oder nach Lugano in der Schweiz. „Das war immer sehr schön!“, freut sich Ilse Meves an dieser Erinnerung noch heute.
Am schönsten jedoch war es mit Theo. Er war Sport- und Wirtschaftsredakteur bei den Nürnberger Nachrichten und nachdem sie 1935 geheiratet hatten, begleitete sie ihn etwa zu den Olympischen Spielen in Berlin oder nach Norwegen. Drei Söhne gingen aus der Ehe hervor, das perfekte Glück, das 1945 einen jähen Riss bekam, als Theo in Halbe bei Berlin fiel. Bis heute ist er die Liebe ihres Lebens, eine Liebe, die die Söhne mit ihr lebendig erhalten.
Täglich besucht Herbert Meves seine Mutter und zur Feier des Tages ist auch sein jüngerer Bruder Uwe angereist, sitzt neben ihr und streichelt ihr liebevoll das weiß gewordene Haar. Obwohl es Ilse Meves als Kriegswitwe nicht leicht fiel, ermöglichte sie beiden Söhnen Abitur und Studium. Sohn Uwe ist Professor für Germanistik in Oldenburg, Sohn Herbert arbeitete als Unfallchirurg und Orthopäde in Passau. Der älteste Sohn Klaus starb 1952 an einer verschleppten Blinddarmentzündung. „Das war dann auch der Grund, warum ich Medizin studiert habe!“, begründet Dr. Meves seine persönliche Konsequenz aus diesem Drama.
Der Tod des Sohnes und weitere tragische Todesfälle in der Familie prägten das Leben der alten Dame, aber unterkriegen ließ sie sich trotzdem nicht. „Es gab ja auch so viel Schönes in ihrem Leben“, weiß Sohn Uwe. Bis 2006 lebte sie allein in ihrem Reihenhäuschen in Coburg und erst als es immer schwieriger wurde, die Alltäglichkeiten zu erledigen, holte sie Sohn Herbert nach Passau ins Rosenium Grubweg. Dort bewohnt sie ein Einzelzimmer mit Terrasse, genießt die Sonne und die täglichen Besuche ihres Sohnes, der sich liebevoll um sie kümmert. Seit einem Sturz ist sie auf ihren Rollstuhl angewiesen.
Ihren 100. Geburtstag beging sie in aller Stille. Mit ihren Söhnen und den Bezugspflegekräften aus dem Rosenium und einem kleinen Nickerchen zwischendrin. Es ist halt doch ermüdend, wenn man so alt wird. Ihr Rezept für ein langes Leben ist das tägliche Gläschen Pils am Abend und das Glück mit ihren beiden Söhnen.