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Frühschicht auf der Pflegestation

01.05.2012 - Dagmar Schmidbauer

Der ganz normale Wahnsinn beginnt um sechs Uhr früh. Im Garten singen die Vögel und bejubeln lautstark das neue Frühjahr, während die Bewohner des Hauses friedlich in ihren Betten liegen und schlafen. Die meisten sind weit über 90 Jahre alt, haben den Herbst ihres Lebens erreicht und damit die Zeit, in der sie selbst die Helden ihres Alltags waren, hinter sich gelassen. Im Schwesternstützpunkt der Station I im Rosenium Neureichenau sitzt das Pflegepersonal bei einem Becher Tee zusammen, genießt die letzten ruhigen Minuten und spricht über die Bewohner des Hauses. Es geht um Blutzuckerwerte, Schlaftabletten und Hautblessuren. Wünsche zum Speiseplan werden weiter gegeben und wie gut die alten Herrschaften im Moment zu Fuß sind. Jeder Einzelne steht im Dokumentationssystem, in das alles, was im Laufe des Tages und der Nacht ausgeführt wird, eingetragen werden muss. Nachtschwester Stefanie Weishäupl stellt einen nach dem anderen vor und übergibt dann an die Stationsleitung Andrea Umseher, die an diesem Morgen die Frühschicht anführt. Heute sind sie zu viert für 20 Bewohner zuständig, wobei jeder ganz individuelle Hilfe beim Aufstehen, Waschen und Anziehen braucht. Andrea nimmt sich vom Wäschewagen Handtücher und Waschlappen und steckt sich ein paar Einmalhandschuhe in die Kitteltasche. Zuerst geht sie zu den Bewohnern die schon wach sind. So wie die 91-jährige Anni die heute mit Duschen dran ist. Ihr ist ein bisschen schwindelig, aber was sein muss, muss sein, sagt sie und hängt sich bei Andrea ein. Die hilft ihr beim Ausziehen, stellt das Wasser ein: „Passt das so Anni?“, und schlägt ihr vor, beim Haare waschen den Waschlappen vors Gesicht zu halten. Ihr Leben war nicht immer leicht, aber heute ist Anni mit dem zufrieden was sie hat. In Unterwäsche kommt sie wenig später aus dem Bad. Sie gehört zu den Bewohnern, die noch richtig fit sind. Anziehen, Bett machen, ja selbst die eigene Wäsche flickt sie sich noch selbst. Nur wenn das Bett frisch bezogen wird, überlässt sie das Andrea und geht derweil in den Speisesaal zum Frühstücken.

Die 91-jährige Anni beim Zeitunglesen

Ihre Mitbewohnerin Käthe bekommt von alle dem nichts mit. Seelig liegt sie im Schlummer und daher zieht Andrea auch erst einmal die Tür hinter sich zu. Dafür ist der 92-jährige Franz schon wach. Auch er ist eigentlich noch ganz fit, hat im vorvergangenen Winter noch den Eisstock geschossen, nur mit dem Laufen wird es immer schlechter. Doch dafür hat er seinen Rollator und jetzt die Hilfe von Andrea. Sie richtet ihm den Toilettenstuhl, auf dem er sitzen kann, während sie ihn waschen wird. Doch zuerst seift sie ihm liebevoll das Gesicht ein und zieht die Bartstoppeln ab. Franz geht es gut, vor allem, wenn sie ihm ihr unwiderstehliches Lächeln schenkt. Nach dem Waschen muss sie ihm die Kompressionsstrümpfe anziehen, Das ist oft für beide eine Qual. „Heute sind deine Beine nicht so geschwollen!“, schwärmt Andrea und holt die restliche Kleidung aus dem Zimmer. Wie Anni wird auch Franz von allen geduzt und mit dem Vornamen angesprochen. „Das ist aber nicht bei jedem Bewohner automatisch so“, erklärt Andrea Umseher. „Es ergibt sich einfach mit der Zeit und viele reagieren auf ihren Vornamen auch besser. Es gibt aber auch Bewohner, da würde man nie Du sagen!“ Inzwischen ist es sieben und im Aufenthaltsraum herrscht jetzt lebhafter Betrieb. Das Frühstück wird in der großen Küche vorbereitet und dann auf die Stationen gebracht. Auf den Tischen stehen Ostersträuße und an der Wand hängt ein großer Kalender: Beides hilft die Zeit, die in diesem Alter so leicht verloren geht, im Blick zu behalten. Während Schwestern und Helferinnen nach und nach alle Bewohner, die noch mobil sind, an die Tische bringen, geht Schwester Johanna Weishäupl herum und misst, wenn nötig den Blutzuckerwert, teilt Tabletten und Tropfen aus.

Der 92-jährige Franz bekommt das Bett gemacht

Mittendrin sitzt jetzt Lina und die ist eine richtige Stimmungskanone. Sobald das erste Stichwort fällt, beginnt sie zu erzählen. Von früher. Wie es war, als sie noch hinaus in den Wald gingen, um Holz zu holen und wie gut das Wasser damals geschmeckt hat. Heute sind die Probleme zwar viel größer geworden, aber lange nicht mehr so existentiell. Meist geht es um Dinge, die auf unerklärliche Weise verschwinden. Zähne, Brillen oder Zeitungen, und die dann an den unmöglichsten Plätzen wieder zum Vorschein kommen. Viele in diesem Alter sind dement. Manche können sich allein überhaupt nicht mehr helfen, anderen merkt man es erst an, wenn sie nach drei Sätzen wieder von vorn zu erzählen beginnen. Doch jetzt kommt erst Mal das Frühstück. In der Küche wurden die Semmeln liebevoll mit Butter und Marmelade bestrichen und auf Tellern angerichtet. Schwester Bruni Ascher-Dietz gießt kräftig Kaffee drüber und serviert die erste Portion an Gertrud. Im Prinzip ein ganz normales Frühstück, nur die Zusammensetzung ist gewöhnungsbedüftig. Aber Gertrud schmeckt es. „Wir sind immer sehr darum bemüht, dass es möglichst appetitlich aussieht“, erklärt Pfleghelferin Emmi Eckerl. Mitzuerleben, wie ein Mensch langsam immer weniger wird, ist nicht leicht, da hilft es nur ein bisschen über den Dingen zu stehen. „Wir sind auch schon mit kleinen Erfolgen zufrieden!“, sagt Andrea Umseher. Wichtig sei, dass man immer daran denkt, dass jeder Bewohner ein ganz eigenes Leben hatte, bevor er ins Heim kam. „Das muss man berücksichtigen!“

Sr. Johanna misst den Blutzuckerwert

Nach dem Frühstück kommt Helga Schweikl, die Betreuungskraft. Ihre Aufgabe ist es, das, was an Ressourcen noch da ist, zu erhalten und manchmal schafft sie es auch, eine Verbesserung zu erzielen. Das geht am besten mit alten Liedern, die jeder noch kennt und mit Spielen, bei denen es um das Erkennen von Farben, statt um Gewinner geht. Zweimal wöchentlich wird der Speisesaal zum Gymnastikraum, um die Muskeln auf Trapp zu bringen, weil gekräftigte Muskeln die beste Sturzprophylaxe sind. Während auf der Station die Bettlägerigen gewaschen, gelagert und verköstigt werden, nimmt sich Andrea Umseher Zeit für den Papierkram. Sie führt Lagerungs- und Bewegungspläne, Ernährungsprotokolle, Medikamentenblätter und Wundprotokolle und organisiert zwischendurch einen Behindertentransport für Maria, die zum Röntgen muss, weil die Gelenke von der Arthrose so angeschwollen sind. Dann kommt das Mittagessen, das Highlight des Tages und eine richtige Herausforderung für alle helfenden Hände. Jeder braucht ein bisschen Unterstützung und manchmal muss man auch einfach wegschauen. „So lange sie können, sollen sie allein essen, egal, wie!“ Die eine isst wie ein Spatz, die andere schaut schon was übrig bleibt und eine Dritte mag gar nicht erst probieren. „Das mag ich nicht!“, behauptet sie und schiebt den frischen Teller von sich.

Helga Schweikl mit Ursi, Gertrud und Rosa beim Spielen

Nach der Schlacht am Essenstisch gehen die meisten Bewohner ins Bett um ein Mittagsschläfchen zu halten. Die Pflegemannschaft indes wartet auf den Hausarzt, um ihn zur Visite zu begleiten. Wobei es nicht einen für alle gibt, sondern jeder Bewohner sich den Arzt seines Vertrauens selbst wählt. Der Kaffeetisch wird gedeckt, noch einmal wird gelagert, damit die, die den ganzen Tag liegen, nicht wund werden, und dann warten sie auf die Übergabe. Es war heute ruhig, werden sie sagen, keine besonderen Vorkommnisse. Zum Glück ist niemand gestürzt, oder gar Schlimmeres passiert. Aber rechnen müssen sie immer damit. Denn sie betreuen alte und gebrechliche Menschen und es ist manchmal gar nicht so leicht, sie vor sich selbst zu beschützen.

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