Denn im Wald, da sind die Räuber…
…und sie nehmen alles mit!
Auf diesem „Arbeitsfeld“ hat wohl, wie auch in vielen anderen Männerdomänen, in den letzten Jahren die Emanzipation des schwachen Geschlechts stattgefunden.
In Lackenhäuser schafften es nämlich einige zarte weibliche Wesen den starken Männern der Feuerwehr ihr „Statussymbol“ Maibaum abspenstig zu machen. Quasi im Vorbeigehen hatte Simone Bernecker mitbekommen, dass sich die örtliche Löschtruppe sicher war: „ Unser Baum liegt versteckt im Wald und ist dermaßen schwer, dass ihn bestimmt Keiner klaut“. Allein diese Aussage weckte natürlich sofort Ihren allseits bekannten Ehrgeiz, das „Unmögliche“ zu schaffen! Die Arbeitskolleginnen im Rosenium X ließen sich auch nicht lange bitten und unterstützen die Küchenleiterin mit voller Kraft und guten Ideen.
„Im Dunkeln ist gut munkeln“ beschreibt schon ein altes Sprichwort. Auch die Damen vom Rosenberger Gut nutzten die Gunst der Stunde und rückten spätnachts an, um den Baumstamm, der als diesjähriger Maibaum vorgesehen war, unter ihre Fittiche zu nehmen.
Unterstützt von Lebensgefährten, Söhnen, Freunden der Töchter oder ähnlichen männlichen Wesen wurde ein Fuhrwerk organisiert, welches das Objekt der Begierde in ein sicheres Versteck brachte.
Dabei spielte sich so manches menschliche Drama ab, bei dem auch die Erfahrungen von ausgebildeten Altenpflegerinnen durchaus von Nutzen waren. Einer der Jungspunde bekam nämlich, vermutlich aufgrund der allgemeinen Anspannung oder vielleicht auch durch das Heben der schweren Last, unversehens starkes Nasenbluten. Als einer seiner Kameraden dies sah, wurde er bleich um die Nase und konnte nur noch stammeln: „Ich kann kein Blut sehen…“ bevor er die Augen verdrehte und in die Arme einer der jungen Damen um ihn herum sank. Routiniert ließen die Mädels ihr Helfersyndrom walten, tätschelten die Wangen der beiden Invaliden und forderten: „Kommt, lasst euch nicht so hängen und stellt euch nicht so an - wir haben gerade Wichtigeres zu tun!“
Bei so viel Verständnis und Mitgefühl blieb ihnen wohl gar nichts Anderes übrig, als ihre letzten Kräfte unter Todesverachtung zu mobilisieren und das Diebesgut in sein vorübergehendes Domizil zu bringen. Dort, in sicherer Verwahrung, wartete der Maibaum auf den 30. April, um seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt zu werden.
Nachdem zuvor ein Bekennerschreiben durch die Bewohner des Rosenberger Gutes an die Feuerwehr gegeben wurde, machte sich das „Diebsgesindel“ an die Arbeit und hübschte den etwas langweiligen Baumstamm mit farbigen Bändern, einem schönen „Kratzl“ und bunten Luftballons auf.
Mit viel guter Laune und angespornt durch heitere Weisen der Musiker Franz Bernecker und Hans Kornexl brachten die diebischen Elstern vom Rosenberger Gut den Maibaum der Feuerwehr Lackenhäuser an seinen gewohnten Standort, direkt vor dem Feuerwehrhaus am Fuße des Dreisessel, zurück.
Dort wurden sie bereits sehnsüchtig von vielen eifrigen Männern mit ihren Spielzeugen, wie zum Beispiel Motorsäge, Bandschleife oder weiteren diversen Gerätschaften zur Holzveredelung erwartet.
Voller Tatendrang mühten sich die Hände des starken Geschlechts ab, den Baum nach herkömmlichem Brauch aufzubereiten und ihm das gewohnte „Outfit“ eines bayerischen Maibaumes zu verpassen; denn diese Schleifchen und Rüschchen der Damen entsprachen so gar nicht ihren männlichen Vorstellungen. Am Ende dieser schweißtreibenden Arbeiten wurde das Ergebnis der Bemühungen, ein fesch geschmückter Maibaum, mit vereinten Kräften und unter dem Kommando der Mädels noch in die richtige Position gebracht.
Voller Stolz aller Beteiligten ward der mächtige Baum gegen Abend endlich seiner Bestimmung übergeben. Seither ragt er als das größte Wahrzeichen des Ortsteiles Lackenhäuser in den wunderschönen bayerisch weißblauen Himmel über der Gemeinde Neureichenau.
Zum krönenden Abschluss dieser altehrwürdigen Brauchtumsfeier waren selbstverständlich auch die Senioren vom Rosenium X eingeladen, um bei Bier, Brotzeit und Musik den Tag in geselliger Runde ausklingen zu lassen. Vertraulich wurde den Männern der Feuerwehr zum Schluss aber dann doch noch der gut gemeinte Rat erteilt: „ Passt nächstes Jahr besser auf – denn ihr wisst schon – im Wald, da sind die Räuberinnen…“